Pressemitteilung 15. April 2003

Literarisches Europa.

Acht Autoren erkunden seine Grenzen

Ein Symposium im Literaturhaus München

Samstag, 10. Mai 2003

Veranstalter:

Literaturhaus München, Italienisches Kulturinstitut, Generalkonsulat der Niederlande, Generalkonsulat der Republik Polen, Schweizerisches Generalkonsulat, Instituto Cervantes, Tschechisches Zentrum München, Ungarisches Institut München

Ort: Literaturhaus, Salvatorplatz 1, 80333 München

Konzept: Katrin Lange und die Veranstalter

Presse: Susanne Meierhenrich, Telefon: 089 – 33 74 00 / 0171 – 742 1717

Fax: 089 – 3888 7165, E-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Anmeldung: Kartenreservierung unter 089 / 29 19 34 27

Eintritt: 10,-/8,-- Euro

Europa hat in den vergangenen Monaten über Krieg, Bündnisse und Zerwürfnisse wieder die weltpolitische Bühne betreten und spielt ein altes Stück von Bruderzwist und Königstreue. Eine europäische Einheit, lange Zeit vornehmlich ökonomisch und bürokratisch betrieben, scheint politisch ferner denn je, von ihren eigenen Akteuren ins Abseits gestellt.

Welche Rolle spielt Europa für seine Schriftsteller? Gibt es eine gemeinsame Quelle europäischer Traditionen und Erfahrungen? Was eint, was trennt europäische Autoren heute? Die großen historischen Ereignisse des letzten Jahrhunderts? Aktuelle politische Strukturen oder die politischen Visionen? Kurz: welche Grenzen trennen Europa?

Das Literaturhaus München und sieben in München vertretene Kulturinstitute haben acht Autoren aus verschiedenen Ländern Europas dazu eingeladen, über die Frage der »Grenze« zu sprechen, deren Vermessung jeder Einigung vorausliegt. Dieser Einladung sind gefolgt: Carmine Abate (Italien), Katja Lange-Müller (Deutschland), Hugo Loetscher (Schweiz), Geert Mak (Niederlande), Juan José Millas (Spanien), Robert Stiller (Polen), Jaroslav Rudis (Tschechien) und Péter Zilahy (Ungarn).

Zeitplan

Samstag, 10. Mai (Saal)

10.00 Uhr Grenzen, phänomenologisch
Hugo Loetscher (Schweiz) und Carmine Abate (Italien)
Moderation: Maike Albath (Deutschlandfunk)

11.30 Uhr Kaffeepause

11.45 Uhr Grenzen, medial
Jaroslav Rudis (Tschechien) und Péter Zilahy (Ungarn)
Moderation: Bernd Graff (Süddeutsche Zeitung)

13.15 Uhr Mittagspause

14.30 Uhr Grenzen, literarisch
Juan José Millas (Spanien) und Robert Stiller (Polen)
Moderation: Volker Isfort (Abendzeitung)

16.00 Uhr Grußwort: Christina Weiß, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

16.30 Uhr Kaffeepause

16.45 Uhr Grenzen, real
Geert Mak (Niederlande) und Katja Lange-Müller (Deutschland)
Moderation: Cornelia Zetzsche (Bayrischer Rundfunk)

18.15 Uhr »Europa grenzenlos« - Kehraus mit Tilman Spengler

19.00 Uhr Abschlußessen

Zu den

Carmine Abate
Der Blick der Mitte: leben und schreiben zwischen den Grenzen

Die Biographie Carmine Abates (geb. 1954) ist eine der permanenten Grenzüberschreitungen. Geboren in einer Familie der albanischen Minderheit Italiens lernte er erst in der Schule die italienische Sprache. Studium in Bari. Danach lebte er mehrere Jahre in Norddeutschland, wo er Kinder italienischer Emigranten unterrichtete. Seine Romane spiegeln die Spannungen zwischen den Kulturen und die Unmöglichkeit, sich mit einer Sprache und Kultur zu identifizieren. Genau das wird auch das Thema seines Vortrags sein.
Auf deutsch sind u. a. von ihm erschienen: »Die Germanesi« (Campus), »Der Hochzeitstanz« (Piper Verlag), »Der Geschmack wilder Feigen« (Piper Verlag)

Katja Lange-Müller
Mensch ist Mensch, aber fremd bleibt fremd – Oder: Verletzte Heimatliebe begegnet den Grenzen der Gastfreundschaft. Die Quadratur des Kreises

Katja Lange-Müller (geb. 1951) weiß viel über die Mauer, die deutsch-deutsche Grenze, die es nun seit gut zehn Jahren nicht mehr gibt. Aufgewachsen in Ostberlin, wo sie als Schriftsetzerin und später in einer psychiatrischen Anstalt arbeitete, siedelte sie 1984 nach Westberlin über und veröffentlichte auch ihre ersten Erzählungsbände in Westdeutschland. Heute beobachtet sie neue Fremde in Deutschlands Hauptstadt und fragt: »Menschen müssen fliehen, den Ort ihrer Herkunft verlassen; aber können sie den ihrer Hinkunft deswegen lieben? Warum bleiben die Aufgenommenen und die Aufnehmenden einander so lange so fremd?«
Werke u. a.: »Verfrühte Tierliebe«, »Die Letzten«, »Die Enten, die Frauen und die Wahrheit« (Verlag Kiepenheuer & Witsch)

Hugo Loetscher
Europa – wo liegen welche Grenzen

Hugo Loetscher (geb. 1929) gehört zu den weitgereisten und welterfahrenen Autoren, für die die Begegnung mit anderen Nationen, Reisen und Schreiben stets eng verbunden waren. Er arbeitete als Journalist, war u. a. Redakteur bei »du« und veröffentlichte in den 60er-Jahren seine ersten Dramen und Romane. Zahlreiche Preise und Mitgliedschaften in internationalen Schriftstellerverbänden und Akademien sind Ausdruck seiner weitgespannten schriftstellerischen Tätigkeiten. In seinem Vortrag fragt er danach, wie die historischen, sprachlichen und politischen Grenzen die Grenzen in unserem Kopf bestimmen.
Zu seinen Werken zählt u. a.: »Der Immune«, »Der Buckel«, »Vom Erzählen erzählen« (Diogenes Verlag)

Geert Mak
Mit einem Ruder durch Europa. Über die Macht von Grenzen und Sprachen, über die gemeinsame Vorstellungskraft, über die Freuden Babylons

Von seiner Profession her betrachtet Geert Mak (geb. 1946) die Veränderungen unserer Welt aus der Perspektive des Soziologen, der sich insbesondere mit den Entwicklungen von Großstädten und Dörfern beschäftigt hat. Seine reisejournalistischen Arbeiten und Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet. Zur Zeit arbeitet er an einem Buch über das alte und neue Europa und beschäftigt sich mit der psychologischen Kraft, die von Grenzen ausgeht und der Geschichte, die diese Kraft speist.

Werke in deutscher Sprache: »Amsterdam. Biographie einer Stadt«, »Als Gott verschwand aus Jorwed« (Siedler Verlag)

Juan José Millás
Säugetiere und Insekten: Joyces »Ulysses« versus Kafkas »Verwandlung«

Juan José Millás (geb. 1943) lebt seit seiner Kindheit in Madrid und ist dort als Schriftsteller und Journalist tätig. Früh als Talent erkannt, gehört er heute zu den meist gelesenen und mit mehreren Preisen ausgezeichneten Autoren Spaniens. In seinem Vortrag konzentriert er sich auf das große literarische Erbe Europas aus dem 20. Jahrhundert und beschreibt Joyces »Ulysses« und Kafkas »Verwandlung« nach einem archäologischen Deutungsschema. Müssen und können sich beide Werke ‚fortentwickeln’, um heute noch verstanden zu werden?
Publikationen in deutscher Sprache: »Dein verwirrender Name«. »Das war die Einsamkeit« (beide Suhrkamp Verlag). »Die alphabetische Ordnung« (dtv)

Jaroslav Rudis
Mit der U-Bahn aus Prag nach Berlin. Ein Ausflug über die Grenze in die kulturelle und soziale Unterwelt beider Metropolen

Bevor Jaroslav Rudis (geb. 1972) Journalist und Schriftsteller wurde, studierte er, war Werbeagent einer tschechischen Brauerei in Deutschland, Bäcker in den Alpen, Hotelportier und Manager einer Punkband. Mit einem Journalistenstipendium lebte er 2001 ein Jahr lang in Berlin. Das sind bunte, zum Teil skurrile Erfahrungen, die in sein erstes und gleich ausgezeichnetes Buch »Der Himmel unter Berlin« Eingang fanden und von denen in München mehr zu hören ist.

Robert Stiller
Die Rolle der Sprachunterschiede im Gesamtbild der europäischen Literaturen

Als Schriftsteller, Übersetzer, Wissenschaftler, Herausgeber und Publizist lebt Robert Stiller (geb. 1928) seit seiner Kindheit in Warschau und ist ein Leben lang auf vielfältige Weise mit der europäischen Literatur beschäftigt. Er spricht mehr als zehn Sprachen und so ist auch das Verhältnis von großen und sogenannten kleinen Literaturen und die Rolle der Übersetzungen Gegenstand seiner Überlegungen.

Péter Zilahy
Die letzte Fenstergiraffe. Ein multimediales Lexikon Osteuropas

Als Weltenbummler bezeichnet sich Péter Zilahy (geb. 1970) selbst gerne, der nach seinem Studium als Redakteur und freier Autor arbeitet und Grenzüberschreitungen auch im medialen Bereich erprobt. In dem multimedialen Projekt »Die Fenstergiraffe« geht er seiner persönlichen historischen Verortung nach: an der Grenze zwischen zeithistorischen Epochen, Sprachen und Kulturen. Das Werk, eine Art Wörterbuchroman, der auf eine in Ungarn bekannte Kinderenzyklopädie anspielt, ist auch Grundlage seines Vortrags.
Werke u. a.: »Az utolsó ablakzsiráf« [Die letzte Fenstergiraffe. Budapest 1998, 22000], neu bearbeitete Auszüge: »Die es nicht gibt«. In: Kafka. Zeitschrift für Mitteleuropa, 2001/4, S. 26-35. Ausgewählte Gedichte in mehreren Sprachen auf der Homepage unter www.lyrikline.org. Informationen zur multimedialen und mehrsprachigen CD-ROM-Version der »letzten Fenstegiraffe" unter www.zilahy.net