Zsolt K. Lengyel

Die Evaluierung des Ungarischen Instituts München e. V. (UIM)

Die erste Phase der Konsolidierung und des Ausbaus

[Erstveröffentlichung in: Ungarn-Jahrbuch 24 (1998/1999), 445-448]

Der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Hans Zehetmaier, hat im April 1999 eine internationale Kommission mit dem Auftrag eingesetzt, Empfehlungen zur zukünftigen Aufgaben- und Organisationsstruktur des UIM sowie zu dessen Einbindung in die grenzüberschreitende bayerisch-ungarische Kooperation auszuarbeiten. Mitglieder des Bewertungsausschusses waren: Prof. Dr. Dr. h. c. Georg Brunner (Universität Köln), Dr. Ernő Deák (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Prof. Dr. Pál Deréky (Universität Wien), Prof. Dr. Domokos Kosáry (Ungarische Akademie der Wissenschaften), Prof. Dr. Ernő Kulcsár-Szabó (Universitäten Budapest und Berlin), Prof. Dr. András Róna-Tas (Ungarische Akademie der Wissenschaften), Ltd. Bibliotheksdirektorin Christiane Schmiedeknecht (Universitätsbibliothek Erfurt) und Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus-Dieter Wolff (Universität Bayreuth). Von seiten des Bayerischen Staatsministeriums wirkte Ministerialrat Hans-Joachim Fösch mit. Mit Gaststatus nahmen die Bayerische Staatskanzlei (Ministerialrat Dr. Rudolf Baer) und das Münchener Generalkonsulat der Republik Ungarn (Generalkonsul László Püspök) teil.

Im unmittelbaren Vorlauf zur Begehung des Instituts und Anhörung im bayerischen Wissenschaftsministerium am 19. Juni 1999 hatte das UIM mit dem Bericht „Selbstdarstellung und Konsolidierungsplan" (16. Mai 1999, 114 S.) seine Förderstelle, das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, darüber informiert, daß es in seiner Existenz akut gefährdet sei. Die besondere Voraussetzung seines bisherigen Betriebs, die Beschäftigung von teils ehrenamtlichen, teils drittmittelgeförderten Mitarbeitern, die ihren hiesigen Aufgaben stets auch in ihrer Freizeit nachgingen, werde sich nur noch wenige Monate lang aufrechterhalten lassen, stellte der Institutsbericht fest. Sollte das UIM seinen Betrieb einstellen müssen, so ginge Bayern die Möglichkeit abhanden, sich mit einer in der deutschsprachigen Ost- und Südosteuropaforschung lückenfüllenden Arbeitsstätte als Wissenschaftsstandort in besonderer Weise auszuweisen. Die Beziehungen zwischen dem Freistaat Bayern und der Republik Ungarn erfassen, so eines der Argumente der Eingabe, einerseits im Zuge des ungarischen NATO-Beitritts und Heranwachsens an die EU, andererseits infolge des bayerischen Einsatzes für offene und pluralistische Demokratien in Ost-, Mittel- und Südosteuropa immer mehr Gebiete, auf denen die jeweiligen politischen Entscheidungsträger verstärkt auf wissenschaftliche Beratung und Planung sowie auf kulturelle Abfederung ihrer diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakte angewiesen sind. Die auf beiden Partnerseiten gesammelten Erfahrungen des UIM zeigen klar den Bedarf an einer vermittlungsfähigen Institution, die in der wissenschaftlichen Detailarbeit, in der praxisorientierten Einbringung ihrer Fachkenntnisse sowie in der Öffentlichkeitsarbeit wissenschaftlicher und allgemein kultureller Ausrichtung gleichermaßen bewandert ist.

Im Endergebnis seiner Konsolidierungskonzeption bat das UIM, in die Lage versetzt zu werden, sich arbeitsrechtlich abzusichern, als weiterhin eingetragener Verein mit eigenem Institut mittelfristig an die Ludwig-Maximilians-Universität München anzubinden sowie konzeptionell und organisatorisch neu zu profilieren. Als Sonderempfehlung schlug es vor, die Möglichkeiten einer Beteiligung der Republik Ungarn an seiner Ausgestaltung zu einem Forschungs- und Beratungsinstitut mit wissenschafts- und kulturorganisatorischen Zielsetzungen auf kompetenter Ebene zu erörtern. Die zwischenstaatliche Dimension seines Rettungsversuchs hatte sich seit der Sitzung der Bayerisch-Ungarischen Gemischten Regierungskommission in Passau am 25.-26. Februar 1999 herausgebildet. Bei dieser Gelegenheit wurde die Umwandlung des UIM in eine bayerisch-ungarische Einrichtung, die im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Zielsetzungen auch kulturelle Beziehungen pflegt und dabei von ungarischer Seite mitfinanziert wird, als Projekt der beiden Regierungen verabschiedet. Mit Schreiben vom 20. Mai 1999 an die Geschäftsführung des Instituts sagte der ungarische Ministerpräsident Dr. Viktor Orbán seine Bereitschaft zur konkreten Unterstützung dieser »Zusammenarbeit neuen Typs« zu.

Der Abschlußbericht der Evaluierung wurde im August 1999 fertiggestellt. Er führt aus, daß das 1962 gegründete UIM »mit seiner wissenschaftlichen Publikations-, Beratungs- und Dokumentationstätigkeit zur Erfassung von Geschichte und themenübergreifender Landeskunde Ungarns sowie der deutsch- beziehungsweise bayerisch-ungarischen Beziehungen von den Anfängen bis zur Gegenwart Erträge von hohem wissenschaftlichen Wert hervorgebracht« habe. Die Bewertungskommission »erachtet insgesamt die Existenz und die bisherige Tätigkeit des UIM als außeruniversitäre Forschungseinrichtung als einen wichtigen und nicht wegzudenkenden und damit als unverzichtbaren Beitrag für die Ungarnforschung innerhalb des bayerischen Wissenschaftssystems«. Sie »spricht sich daher einstimmig für die Weiterführung des UIM« aus.

In dieses Gesamturteil wurden konkrete Vorschläge zur inhaltlichen und organisatorischen Umgestaltung, zur Verbesserung der räumlichen und technischen Infrastruktur, zur gezielteren Nutzbarmachung der Bibliothek und sonstigen Sammlungen sowie zur Gewährleistung einer angemessenen Finanzausstattung des UIM eingebettet. Ihrer Umsetzung müssen – nach einhelliger Meinung von Institutsleitung und staatsministerieller Evaluierungskommission – zwei Grundprinzipien zugrunde liegen:

1. das UIM soll den bisher aus Ressourcenmangel beschrittenen Weg der vornehmlich forschungsorganisierenden Tätigkeit um ein selbstverantwortetes wissenschaftliches Arbeitsprofil erweitern und sich dabei immer auch Inhalten mit Anwendungsbezug zuwenden;

2. das UIM möge öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wissenschaftlicher und künstlerischer Ausrichtung durchführen, soweit diese die Wahrnehmung seiner Forschungs- und Beratungsaufgaben nicht beeinträchtigen.

Im Sinne des ersten Grundprinzips bot das UIM mit einer seinem Konsolidierungsplan nachgeschobenen themen- und methodenorientierten Skizze an, zukünftig über die Betreuung seiner beiden Publikationsreihen ,Ungarn-Jahrbuch’ und ,Studia Hungarica’ sowie seiner Bibliothek und sonstigen Sammlungen hinaus eigene Grundlagenforschungen im allgemeinen Schwerpunktthema „Ungarn in den Beziehungsgeschichten Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas" zu betreiben. Laut Abschlußbericht der Evaluierungskommission hat es mit dieser »ersten sehr überzeugenden Kurzanalyse den möglichen Arbeitsbereich zur Integrationsforschung« in ungarnkundlicher Hinsicht abgesteckt. Infolge dieser Einschätzung sowie aufgrund einer Empfehlung der Münchener Staatsregierung beschloß der bayerische Landtag im Dezember 1999, die institutionelle Förderung des UIM durch den Freistaat Bayern im Wege der Fehlbedarfsfinanzierung für das nächste Kalenderjahr erheblich aufzustocken. Dank dieser Maßnahme hat das UIM im Januar 2000 begonnen, die personellen, technischen und infrastrukturellen Bedingungen seiner konzeptionellen Neuprofilierung zu schaffen. Insbesondere die Personalmittel für zwei wissenschaftliche und eine halbe Verwaltungsstelle erlauben ihm, sein bis Ende 1999 großenteils auf freiwilliger Basis bestrittenes Arbeitsprogramm in feste Hände zu legen und es im Rahmen der Hungarologie als interdisziplinäre Regionalwissenschaft zu verfeinern. Das solcherart bayerisch konsolidierte wissenschaftliche Aufgabenfeld des UIM hat sich in Größenordnung und Charakter im Vergleich mit den 1990er Jahren nicht wesentlich verändert, nur ist ihm eben die Höhe der eigenen Haushaltsmittel angepaßt worden.

Das zweite Grundprinzip zielt hingegen auf eine Vermehrung der Institutsfunktionen ab. Es hat sich aus der Überlegung herausgeschält, das UIM mit einem regelmäßigen Veranstaltungsdienst zu betrauen, den es in seiner bisherigen Geschichte aus finanziellen Gründen nur sporadisch zu leisten vermochte, und insofern sogar seinen Ausbau zu vollziehen. Der ungarische Ministerpräsident trat in seinem zitierten Brief mit Hinweis auf günstige Möglichkeiten der Vernetzung mit den staatsungarischen Auslandsinstituten in Wien, Stuttgart und Berlin für diese Erweiterungsoption ein und beauftragte sogleich das Budapester Ministerium für Nationales Kulturerbe (Nemzeti Kulturális Örökség Minisztériuma, NKÖM), die entsprechende Mittelzuweisung vorzubereiten. Bis Ende 1999 kamen schließlich der ungarische Kulturminister Dr. József Hámori und der bayerische Wissenschaftsminister bis Dezember 1999 überein, diesen vornehmlich ungarischen Wunsch im Sinne der Empfehlung der Evaluierungskommission zu behandeln, also seine praktische Verwirklichung durch das UIM von der erfolgreichen Einbeziehung der zusätzlichen ungarischen Finanzierungsquellen abhängig zu machen.

Als vorläufiges Ergebnis dieser offiziellen Absprache wurde am 21. Februar 2000, bereits nach Amtsantritt des neuen ungarischen Kulturministers Zoltán Rockenbauer, in Budapest und in München eine zunächst befristete Kooperationsvereinbarung zwischen dem NKÖM und dem UIM unterzeichnet. Sie sieht vor, daß die Republik Ungarn, vertreten durch ihr Kulturressort, im Jahre 2000 knapp 25% des Gesamthaushalts des Instituts vor allem zum Aufbau der Abteilung „Bayerisch-Ungarische Kulturbeziehungen" (BUK) beiträgt. Mit dieser Zuwendung organisiert das UIM bis Jahresende – unter Leitung der Geschäftsführung des gesamten Instituts und Mitwirkung freier Mitarbeiter – wissenschaftliche Tagungen und Vorträge zu seinem beziehungsgeschichtlichen Schwerpunktthema, Lesungen zu klassischer und heutiger ungarischer Belletristik sowie Konzerte zeitgenössischer Musikinterpreten aus Ungarn (Klassik, Jazz und Folk). Hierbei geht es vielfältige Partnerschaften ein, die über den naturgemäßen Umkreis der benachbarten und auch kulturell tätigen Auslandsvertretungen Ungarns, wie das Münchener Generalkonsulat und das Stuttgarter Kulturinstitut, hinausreichen. Die Abstimmungsbereitschaft, die es in den historischen und zeitgeschichtlichen Kontaktsystemen Ungarns und der ungarischen Nation auf Brüche und Beständigkeit, Antriebskräfte und Hemmnisse, Ausdrucksformen und Reichweite hin erforscht, will das UIM in seinem eigenen Alltag auch in administrativer Hinsicht bekunden, indem es bei Planung und Durchführung all seiner Veranstaltungen mit kulturorganisatorischen Einrichtungen in der bayerischen Landeshauptstadt zusammenarbeitet (Historisches Seminar sowie Institut für Finnougristik der Ludwig-Maximilians-Universität, Haus der Bayerischen Geschichte, Hochschule für Musik und Theater, Lyrik Kabinett e. V., Stiftung Buch-, Medien- und Literaturhaus, Südosteuropa-Gesellschaft e. V.).

Ausführlichere Informationen über die erneuerte, aber noch nicht in allen Belangen endgültige Personal- und Organisationsstruktur sowie die wissenschaftlichen und kulturellen Vorhaben des UIM im laufenden Jahr enthält – mit institutsgeschichtlichen Abrissen und Daten sowie dem Katalog der ,Studia Hungarica’ und des ,Ungarn-Jahrbuch’ – die laufend aktualisierte Webseite des UIM: http://www.ungarisches-institut.de.

Konsolidierung und Ausbau des UIM haben bis zum Redaktionsschluß dieses Bandes die ersten Ansätze hinter sich gebracht, den Abschluß aber noch nicht erreicht. Das Jahr 2000 gilt für alle Beteiligte an diesem eher ungewöhnlichen Unternehmen auch unausgesprochen als Probephase. Die Verantwortlichen der beiden staatlichen Förderstellen und des UIM werden sich in einer Reihe von konzeptionellen und technischen Fragen auf gemeinsame Grundlagen verständigen und dabei wohl auch Kompromisse eingehen müssen. Dazu gehört die vom Bewertungsausschuß vorgeschlagene Bildung eines achtköpfigen UIM-Kuratoriums, in das vier Mitglieder aus Ungarn delegiert werden sollen und das im Einvernehmen mit dem Vorstand des Trägervereins das Institut in seiner Gesamtentwicklung zu begleiten hätte.

Diese zwischenstaatliche Kooperation bietet jedenfalls einem EU-Beitrittskandidaten die in diesem Zusammenhang selbst vielleicht lange Zeit nicht erkannte Chance, im Verhältnis mit einem nicht gerade unbedeutenden EU-Mitgliedstaat über die eigene wissenschafts- und kulturpolitische Integrationsfähigkeit ein gewisses Zeugnis abzulegen. Dieser Umstand läßt darauf hoffen, daß den Lesern des ,Ungarn-Jahrbuch’ und der übrigen interessierten Öffentlichkeit in absehbarer Zeit nur noch ein Bericht über den Stand der Konsolidierung und des Ausbaus des UIM vorzulegen sein wird. Einer nämlich, der mit der Feststellung ausklingt, daß die Umwandlung des UIM zu einer bayerisch-ungarischen Institution in dem Maße abgeschlossen und abgesichert ist, in dem es für eine solche wissenschaftlich-kulturelle Arbeitsstätte überhaupt möglich ist.